- Diese Veranstaltung hat bereits stattgefunden.
Saarbrücken und Online – Revolution im Stall und Rumor in der Gesellschaft
17 Januar @ 18:00 - 20:00
Zur Transformation landwirtschaftlicher Tierhaltung im 20. Jahrhundert
Die Geschichte landwirtschaftlicher Tierhaltung zeigt, was bei unappetitlichen Aufnahmen von dicht besetzten Ställen in Vergessenheit zu geraten droht: Die Massentierhaltung war keine Verschwörung dunkler Mächte, sondern eine zu ihrer Zeit plausible Entwicklung. Die Antworten auf folgende Fragen erklären die Entstehung der gegenwärtig umstrittenen Tierhaltung: Die Frage nach der Rolle der ungebrochenen Nachfrage nach den Zutaten des guten Lebens, nach saftigen Fleischstücken, reichlich Eiern und günstiger Butter; danach, warum immer weniger Menschen im Stall arbeiten wollten; warum sich die Industrialisierung der Tierhaltung in den Nachkriegsjahrzehnten mit so großer Geschwindigkeit durchsetzte, wo doch Agrarexperten schon seit den 1880er Jahren daran arbeiteten, die Tiere produktiver zu machen; warum die Ställe der DDR ähnliche Transformationen erlebten, obwohl dort kein freier Wettbewerb zu Effektivierung drängte; warum die Tiere aus den Dörfern verschwanden und sich ausgerechnet dann außerlandwirtschaftliche Kreise für das Geschehen im Stall zu interessieren begannen; und schließlich warum in der jüngsten Vergangenheit Ernährungsweisen, die auf Tiere verzichten, in weiten Kreisen beliebter wurden, obwohl vegetarische Vereine schon seit gut 150 Jahren fleischlose Ernährung propagieren.
Dr. Veronika Settele
ist eine Historikerin des 19. und 20. Jahrhunderts, die sich für gesellschaftliche Umbrüche und die Wurzeln unserer Zeit interessiert. Sie studierte in Innsbruck, Toulouse und Princeton Geschichte, Soziologie und Politikwissenschaft, wurde 2019 an der FU Berlin promoviert, und forscht und lehrt derzeit an der Universität Bremen. Ihr erstes Forschungsprojekt (Dr. phil., 2019) untersuchte die wirtschaftliche und moralische Dimension von Ernährung, politischen Handelsbeziehungen und das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren. Dazu erschienen in den letzten Jahren zwei Monografien: „Revolution im Stall: Landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland, 1945–1990“ (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2020, ausgezeichnet mit dem Opus Primum Preis der Volkswagen Stiftung, dem Deutschen Studien Preis und dem Friedrich-Meinecke-Preis) und „Deutsche Fleischarbeit: Geschichte der Massentierhaltung von den Anfängen bis heute“ (C.H. Beck: München, 2022).